Samstag, 29. September 2018

Rezension " NSA - Nationales Sicherheits-Amt " von Andreas Eschbach



  • Bastei Lübbe Verlag
  • Gebundenes Buch
  • 800 Seiten
  • Erscheinungstermin: 28. September 2018
  • ISBN: 9783785726259
  • 22,90 Euro


Klappentext:
Weimar 1942: Die Programmiererin Helene arbeitet im Nationalen Sicherheits-Amt und entwickelt dort Programme, mit deren Hilfe alle Bürger des Reichs überwacht werden. Erst als die Liebe ihres Lebens Fahnenflucht begeht und untertauchen muss, regen sich Zweifel in ihr. Mit ihren Versuchen, ihm zu helfen, gerät sie nicht nur in Konflikt mit dem Regime, sondern wird auch in die Machtspiele ihres Vorgesetzten Lettke verwickelt, der die perfekte Überwachungstechnik des Staates für ganz eigene Zwecke benutzt und dabei zunehmend jede Grenze überschreitet ...

Was wäre, wenn es im Dritten Reich schon Computer gegeben hätte, das Internet, E-Mails, Mobiltelefone und soziale Medien - und deren totale Überwachung?
(Quelle: Bastei Lübbe Verlag)


Kurze Zusammenfassung:
Es ist 1942 und das Dritte Reich befindet sich auf einem grausamen Höhepunkt. Ringsherum tobt der Krieg und die "Judenfrage" im Land soll endgültig geklärt werden.
Inmitten dieser Aktivitäten befindet sich still und fast unbeachtet das Nationale Sicherheits-Amt.
Bisher wurde ihm recht wenig Beachtung geschenkt. Das NS in der Abkürzung NSA reichte den Meisten um es als vermeintlich wichtig für die Staatsführung anzusehen.
So sammelt das NSA im Hintergrund unbehelligt Daten über Daten.
Im Oktober 1942 ändert sich das aber schlagartig: Heinrich Himmler kündigt sich für eine Inspektion an.
Der Analyst Eugen Lettke erkennt sofort die Gefahr für sich und sein ruhiges Leben. Sollte das NSA in Himmlers Augen nicht wichtig und kriegsrelevant erscheinen, so wird das Amt geschlossen und er mit Sicherheit an die Front geschickt.
Lettke muss Himmler also von der Wichtigkeit des NSA überzeugen.
Dafür nutzt er die geniale Programmstrickerin Helene Bodenkamp.
Mit Hilfe Helenes Künsten enttarnt er vor Himmlers Augen, in einer Art Präsentation, das Versteck einer jüdische Familie.
Diese Familie wird sofort verhaftet und Himmler ist nicht nur überzeugt von der Nützlichkeit des NSA sondern sogar begeistert.
Nun ist die Zeit in der das NSA still Daten sammelte und in Datensilos hortete vorbei und das Nationale Sicherheits-Amt wird in die Geschehen des Dritten Reiches eingebunden.
Lettke weiß, das er einem Fronteinsatz zwar entgangen ist, aber dass er weiter liefern muss um in seiner Position zu bleiben.
Dazu ist er auf die Fähigkeiten von Helene angewiesen.
Helene ist ein Naturtalent was das Programmstricken angeht und an Genialität kaum zu überbieten.
Doch Helene ist nicht mehr ganz überzeugt von der Politik Hitlers und erkennt, dass ihre Arbeit immer mehr Menschen in den Tod schickt.
Allerdings muss sich Helene bedeckt halten und darf kein Misstrauen erwecken, versteckt sie doch selbst einen gesuchten Deserteur .....


Fazit:
Die Ideologie des Dritten Reiches gepaart mit den technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts ist ein Gedankenspiel, dass den Leser in Angst und Schrecken versetzt.
Andreas Eschbach hat dieses Gedankenspiel bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und ihm mit seiner locker-flüssigen Schreibe eine Lebendigkeit eingehaucht, die Gänsehaut verursacht.
Dabei hat Eschbach keinen Bezug auf die gegenwärtige gesellschaftliche Situation genommen, sondern diesen Transfer dem Leser selbst überlassen.
Wer dieses Buch als "Was wäre wenn..." lesen wollte, konnte dies durchaus tun.
Wer aber in diesem Buch parallelen zur heutigen Zeit entdecken konnte, hat viel Stoff zum Nachdenken bekommen.
Die Möglichkeit Unmengen von Daten zu speichern ist heute Fakt, sie jedoch zur Selektion von Rassen einzusetzen, bei uns in Deutschland jedoch undenkbar.
Was aber, wenn sich die Situation ändert? Was aber, wenn sich diese Daten gegen uns wenden?
Mir fallen spontan einige Beispiele ein. Zum Beispiel von einem Deutsch-Türken, der sich im Internet deutlich gegen Erdogan geäußert hat und daraufhin bei der Einreise in die Türkei verhaftet wurde.
Oder das Beispiel zweier junger Mädchen, die für drei Monate in die Staaten wollten um Verwandte zu besuchen. Im Vorfeld schrieben sie mit einer Verwandten per Messenger und boten dieser an, auch mal auf deren Baby aufzupassen.
Bei der Einreise in die USA wurden sie mit der Kommunikation konfrontiert und durften nicht einreisen, da die Behörden dort eine nicht rechtmäßge Arbeitsaufnahme erkannten.
Natürlich fallen mir auch die Datenpakete ein, die von Julian Assange oder Edward Snowden veröffentlich wurden.
Mit diesem Backround erschreckt Eschbachs Gedankenspiel noch mehr, denn letztendlich sind wir fast alle gläsern geworden. Auch wenn wir bisher das Glück haben, dass noch niemand Interesse daran hat, diese Daten konkret gegen uns zu verwenden.
Was ist aber, wenn sich Wahlergebnisse und Regierungen verändern und wieder eine Regierung gebildet wird, die nicht zum Wohle aller Menschen in diesem Land arbeitet?
Dann könnte leider genau solch ein Szenario eintreten, dass Andreas Eschbach in diesem Roman erzählt.
Doch ist das Buch nicht in jeder Zeile immer nur politisch und schwermütig.
Der Aufbau der Geschichte entlockte mir trotz des brisanten Themas immer wieder ein Schmunzel.
Helene Bodenkamp, Eugen Lettke und alle andere Personen sind schon Menschen ihrer Zeit. Sie sind so beschrieben, sie tragen die passende Kleidung und auch die Wesensmerkmale entsprechen denen jener Zeit.
Zusätzlich zu diesen, für uns typisch altbackenen Attributen, haben sie allerdings Mobiltelefone und arbeiten an ausgefeilten Komputern. Daten werden in Datensilos gelagert und Programme werden gestrickt.
Andreas Eschbach hat die Geschichte nicht nur inhaltlich in die 1940er gelegt, sondern auch die komplette Fachterminilogie dieser Zeit angepasst.
Da musste ich doch oft einfach mal lachen und öfter beim Lesen grinsen.
Alleine die Vorstellung von Computern, die noch an alten, stoffumwickelten Kabel hängen brachte mich zum Lachen.
Das sind im Hirn doch zwei Welten aufeinandergeprallt und hat skurrile Bilder bei mir hinterlassen.
Ich bin ein absoluter Fan von Andreas Eschbachs Büchern und was mich in seinen Romane so fasziniert, ist die Tatsache, dass er hochkomplexe Themen in solch einer glatten und bildhaften Sprache vermittelt, dass man tatsächlich Dinge und Zusammenhänge versteht, die einem bisher verborgen waren.
Mir ist es bei dem Roman " One Billion Dollar" so ergangen. Wirtschaft und Börse habe ich nie begriffen, wollte ich auch nicht begreifen. Nach dem Lesen des Romans hatte ich alle Zusammenhänge verstanden, und konnte mir auf einmal Bankenberichte durchlesen und wusste worum es geht.
Hier, in "NSA" dreht sich natürlich vieles um Computer und das Programmieren und auch hier habe ich Zusammenhänge spielend begriffen, die ich bestimmt schon 10x erklärt bekommen habe und deren Sinn mir bisher nicht eingeleuchtet hat.
Das finde ich sehr faszinierend und ich hätte da bestimmt so 5-6 Themenvorschläge die Andreas Eschbach doch einmal bearbeiten könnte, weil ich anscheinend durch seine Sprache fast alle verstehe. ;)
Für mich ist Eschbach auf jeden Fall auch ein Visionär. Mit seinen Büchern erfasst er immer die Zeitqualität und erkennt Abläufe und Folgerichtigkeiten lange bevor sie tatsächlich eintreten.
Wollen wir nur hoffen, dass "NSA" keine Vision ist und nicht wirklich eines Tages so eintritt.

Vielen Dank an den Bastei Lübbe Verlag für dieses Rezensionsexemplar