Dienstag, 31. Oktober 2017

Rezension " Kleine große Schritte " von Jodi Picoult



  • C. Bertelsmann Verlag
  • Hardcover
  • 589 Seiten
  • 2017
  • ISBN: 9783570102374
  • 20 Euro

Klappentext:
Ruth Jefferson ist eine äußerst erfahrene Säuglingsschwester. Doch als sie ein Neugeborenes versorgen will, wird ihr das von der Klinikleitung untersagt. Die Eltern wollen nicht, dass eine Afroamerikanerin ihren Sohn berührt. Als sie eines Tages allein auf der Station ist und das Kind eine schwere Krise erleidet, gerät Ruth in ein moralisches Dilemma: Darf sie sich der Anweisung widersetzen und dem Jungen helfen? Als sie sich dazu entschließt, ihrem Gewissen zu folgen, kommt jede Hilfe zu spät. Und Ruth wird angeklagt, schuld an seinem Tod zu sein. Es folgt ein nervenaufreibendes Verfahren, das vor allem eines offenbart: den unterschwelligen, alltäglichen Rassismus, der in unserer ach so aufgeklärten westlichen Welt noch lange nicht überwunden ist ....
(Quelle: C.Bertelsmann Verlag)


Kurze Zusammenfassung:
Im Mercy-West Heaven Hospital wird der kleine David Bauer geboren. Eigentlich wäre Ruth Jefferson auch für ihn zuständig.
Ruth ist eine der erfahrensten Schwestern der Station, zuverlässig und von Kollegen geschätzt und gemocht.
Doch Ruth Jefferson ist schwarz und Davids Vater, Turk Bauer, möchte nicht, dass sein Sohn von einer afroamerikanischen Krankenschwester versorgt wird.
Für Ruth ist dies ein herber Schlag, aber sie fügt sich der Dienstanweisung.
Bis David nach einer Beschneidung in einen medizinischen Notfall gerät. Nur Ruth kann in diesem Augenblick helfend eingreifen. Hin und her gerissen zwischen Dienstanweisung und ihrem Auftrag als Krankenschwester beginnt sie eine Notfallversorgung bei David.
Leider kann Ruth ihm nicht helfen, David stirbt an Herzversagen.
Davids Vater Turk ist durch den Tod seines Sohnes nicht  nur am Boden zerstört, sondern er sieht sich auch in seinen Urteilen über dunkelhäutige Menschen bestätigt.
Er verklagt Ruth.
Ruth Jefferson sieht sich auf einmal als Angeklagte, ihre Kollegen und Freunde distanzieren sich nach und nach von ihr und auch ihr Arbeitgeber lässt sie alleine stehen.
In dem Prozess kristallisiert sich immer mehr heraus, dass es Turk Bauer nicht mehr nur alleine um die objektive Schuldfrage geht, für Turk ist Ruth alleine schon wegen ihrer Hautfarbe schuldig....


Fazit:
Ein fesselnder Roman, der sich intensiv mit offenen und versteckten alltäglichen Rassismus auseinander setzt.
Verpackt in eine mitreißende Geschichte wird hier ganz deutlich gemacht, dass die meisten Menschen noch immer voller Vorurteile stecken, ohne dass es ihnen vielleicht bewußt ist.
Ruth und Turk Bauer sind zwei Pole in deren Mitte Kennedy steht. Ruth als Schwarze ist dem Rassismus unmittelbar ausgesetzt und Turk als "Arier" und offen rechtsradikal lebt seine Vorurteile und seinen Rassenhass deutlich aus.
Dazwischen steht Kennedy, die vielleicht den überwiegenden Teil der Gesellschaft symbolisiert. Eigentlich offen und sich der eigenen Vorurteile nicht bewußt,  zeigt aber doch immer wieder, dass tief in ihr Urteile und Ausgrenzungen vorhanden sind. Teils durch ihre Sozialisation, teils durch Unbedachtheit.
Während Kennedy aber immer reflektierender wird, erscheint Turk zunehmend statisch und man liest, dass er eigentlich auch nicht Willens ist, seine Position zumindest zu überdenken.
Jodi Picoult beschreibt den alltäglichen Rassismus schon sehr plakativ, aber das finde ich auch gut so, denn in vielen Details und Aussagen fällt uns die Ausgrenzung und der Rassismus gar nicht mehr auf.
Dadurch, dass Jodi Picoult immer wieder den Finger darauf legt, wird dem Leser auch seine eigene Haltung bewußter.
Ich persönlich kenne diesen alltäglichen Rassismus nur zu gut. Ich habe viele Freunde die entweder andere Hautfarben besitzen und/oder einen Migrationshintergrund haben und ich arbeite in Schule, und dort begegnen sich einfach viele Menschen aus aller Herren Länder auf sehr engen Raum.
Von daher kenne ich rassistische Geschichten und Situationen zur Genüge.
Ob es eine Mutter ist, die am Tag vor dem Geburtstag meines Sohnes anruft und sagt, ihr Sohn würde nicht zum Kindergeburtstag kommen, weil sie nichts mit Türken zu tun haben wollen.
Der beste Freund meines Sohne ist syrischstämmiger deutsch-niederländischer Aramäer und seine Familie ist mittlerweile in der 4. Generation in Deutschland und alle sind deutsche Staatsbürger.... 
Mein Sohn wurde also vor die Wahl gestellt, entweder auf insgesamt zwei Geburtstagsgäste zu verzichten oder auf seinen besten Freund.
Oder ob es in der Schule ist, in der ein weißes Kind ein Kind mit dunkler Hautfarbe fragt:"Kannst du mir mal die Hautfarbe geben?", das Kind mit der schwarzen Hautfarbe einen dunkelbraunen Stift gibt und zur Antwort bekommt, dass dies ja keine Hautfarbe wäre, sondern kackbraun ....
Durch meine Arbeit kenne ich alle Bananenwitze in Bezug auf dunkelhäutige Menschen und auf Menschen aus den neuen Budndesländern und ich kenne auch den ganzen religiösen Rassismus ob von Christen in Bezug auf Moslems oder von Moslems in Bezug auf Christen.
Von daher war für mich ein Buch, ein Roman, der dieses Thema im Rahmen der Belletristik, der vordergründig leicht verdaulichen Lesekost, berabeitet einfach überfällig.
Jodi Picoult hat dem momentanen Zeitgeist entsprechen genau das passende Buch geschrieben und ich glaube, das vielen Leser dadurch aufmerksamer und feinfühliger werden.
Durch das Lesen werden einem viele unbedachte Äußerungen oder Grenzen im eigenen Denken bewußt und wir bekommen damit die Chance etwas zu ändern.





Natürlich ist dies ein Roman, den man auch einfach nur ganz unbeschwert als Geschichte lesen kann.
Aber er birgt auch die Möglichkeit ab und zu in einen Spiegel zu schauen und sich selbst zu überprüfen.
Jodi Picoults Schreibstil ist sehr fließend und dieser Schreibstil bringt eine Leichtigkeit mit, dass auch solch ein schweres Thema zu einem wunderbaren Roman werden kann.... ohne damit das Thema gering zu schätzen oder herabzusetzen.
Mir hat das Buch sehr gefallen, als Roman, der mich mitgerissen hat und auch als Beitrag zu einer offenen und toleranten Gesellschaft.





Vielen Dank an den C.Bertelsmann Verlag für dieses Rezensionsexemplar