Sonntag, 13. Oktober 2019

Rezension "Der zweite Schlaf" von Robert Harris






  • Heyne Verlag
  • Gebundenes Buch
  • 414 Seiten
  • Erscheinungsdatum: 30. September 2019
  • ISBN: 9783453272088
  • 22,00 Euro



Klappentext:
Der Untergang der Welt, wie wir sie kennen - der neue große Roman von Robert Harris

England ist nach einer lange zurückliegenden Katastrophe in einem erbärmlichen Zustand. Der junge Priester Fairfax wird vom Bischof in ein Dorf entsandt, um dort die Beisetzung des mysteriös verstorbenen Pfarrers zu regeln. In der Umgebung finden sich besonders häufig jene verbotenen Artefakte aus vergangener Zeit - Münzen, Scherben, Plastikspielzeug -, die der Pfarrer akribisch gesammelt hat. Hat diese ketzerische Leidenschaft zu seinem Tod geführt?

Robert Harris' erster Roman "Vaterland" war ein Ereignis. Seine Berühmtheit wuchs mit historischen Politthrillern wie "Pompeji" und seiner groß angelegten Cicero-Trilogie ("Imperium", "Titan", "Dictator"). Ob nun Antike oder jüngere Neuzeit ("Intrige", "Konklave", "München") - auch wenn in seinen Büchern faktenfeste und erfundene Historie sich mischen, so muss man den vordergründigen Mantel nicht weit lüpfen, und die hintergründige Aktualität scheint auf. Robert Harris schreibt letztlich immer über das Hier und Jetzt.

(Quelle: Heyne Verlag)


Inhalt:
Priester Fairfax, der eher von einer Karriere in der Kurie träumt, als von der Begegnung mit dem gläubigen Volk, wird nach Addicott St. George geschickt um dort den verstorbenen Pfarrer Thomas Lacy beizusetzen und seinen Nachlass zu regeln.
In Addicott St. George angekommen ist es zu spät um an diesem Tag noch zu beerdigen und so bleibt Fairfax nichts anderes übrig als sich für die Nacht einzurichten.
In Lacys Arbeitszimmer findet er jedoch seltsame ketzerische Schriften und verbotene Bücher.
Zunehmend verwirrt möchte er nur noch den Pfarrer unter die Erde bringen und wieder nach Hause zurückkehren.
Der Beerdigungsgottesdienst wird allerdings gestört. Ein Unbekannter behauptet während der Totenrede hartnäckig und lautstark, dass Pfarrer Lacy nicht durch einen Unfall gestorben sei, sondern ermordet wurde.
Fairfax ahnt immer mehr, dass hier etwas nicht stimmt.
Als seine Rückreise durch einen Erdrutsch vereitelt wird, entschließt er sich dem Geheimnis um Lacys Tod auf den Grund zu gehen.
Allerdings muss er sich dazu über Gebote der Kirche hinwegsetzen ....



Fazit:
Lass mich eine Frage stellen, bevor du das Fazit oder das Buch liest:
Wenn unsere Kultur morgen untergehen würde, was bliebe von uns?

Welche unserer Gebäude würde die Zeiten überdauern? Welche Bücher blieben, welche unserer Errungenschaften oder Forschungsergebnisse könnten in 800 Jahren ausgegraben oder entdeckt werden?

Diese Frage habe ich mit kurz nach den ersten Seiten des Buches gestellt und ich hatte eine Vielzahl von Antworten.
Als ich etwas länger über die Frage nach dachte, kam ich zu einer anderen Antwort, nämlich: Nichts.
Wie lange unsere neuen Gebäude halten, sieht man schön in Tschernobyl. Noch zwanzig Jahre und dort wird kaum ein Haus mehr stehen.
Unsere Bücher sind so schlecht gebunden und geklebt, viele fallen schon nach dem dritten Male lesen auseinander. Unsere Fotos verblassen nach 10 Jahren und wer schreibt schon etwas mit der Hand, wenn er es auch gut verpackt im Computer aufbewahren kann.

Genau damit setzt sich Robert Harris in "Der zweite Schlaf" auseinander.
Die Welt, so wie wir sie kennen, geht in einer Apokalypse unter und 800 Jahre später hat die Kirche die Bevölkerung zurück erobert.
Strukturen und Gesellschaft sind mittelalterlich und keiner weiß noch etwas von der Kultur, die die Apokalypse auslöste.
Es ist kaum etwas überliefert und Artefakte aus dieser Zeit gibt es kaum noch. Nur Plastik ... das findet sich überall.
Davon abgesehen, dass "Der zweite Schlaf auch ein sehr spannender Kriminalroman ist, regt die Geschichte unheimlich dazu an, unsere Gesellschaft und unsere Art zu leben zu reflektieren.
Es ist zum Teil erschreckend, zu welch einem Resümee man kommen kann.
Robert Harris beschreibt zwar eine Welt, die in 800 Jahren existiert, aber eigentlich beschreibt er unsere Welt. Er beschreibt, was wir hinterlassen, was wir erschaffen, wie wir leben.
Damit passt die Geschichte unheimlich gut in die Zeitqualität, aber spricht auch jeden Einzelnen in seiner Lebensart an.

Wer diesen Roman als Kriminalroman lesen möchte, kann dies durchaus tun. Wer mehr darin sucht, wird vielleicht mehr finden, als ihm lieb ist.

Vielen Dank an den Heyne Verlag für dieses fantastische Rezensionsexemplar