Donnerstag, 21. Dezember 2017

Rezension " München " von Robert Harris




  • Heyne Verlag
  • Hardcover
  • 430 Seiten
  • 2017
  • ISBN: 9783453271432
  • 22 Euro


Klappentext:
September 1938 - in München treffen sich Hitler, Chamberlain, Mussolini und Daladier zu einer kurzfristig einberufenen Konferenz. Der Weltfrieden hängt am seidenen Faden. Im Gefolge des britischen Premierministers Chamberlain befindet sich Hugh Legat aus dem Außenministerium, der ihm als Privatsekretär zugeordnet ist. Auf der deutschen Seite gehört Paul von Hartmann aus dem Auswärtigen Amt in Berlin zum Kreis der Anwesenden. Den Zugang zur Delegation hat er sich erschlichen. Insgeheim ist er Mitglied einer Widerstandszelle gegen Hitler. Legat und von Hartmann verbindet eine Freundschaft, seit sie in Oxford gemeinsam studiert haben. Nun kreuzen sich ihre Wege wieder. Wie weit müssen sie gehen, wenn sie den drohenden Krieg verhindern wollen?

Der neue Politthriller von Robert Harris - ein Roman über Hochverrat und Unbestechlichkeit, über Loyalität und Vertrauensbruch. Und wie immer bei Robert Harris lassen sich über die historischen Figuren und Ereignisse erhellende Bezüge zur aktuellen Weltpolitik herstellen.
(Quelle: Heyne Verlag)

Kurze Zusammenfassung:
Hugh Legat steht noch ganz am Anfang seiner Karriere und diese sieht sehr vielversprechend aus. Er hat als Bester die Uni abgeschlossen und ist recht schnell in das Privatsekretariat von Chamberlain vorgedrungen. 
Einzig seine komplizierte Ehe und die geheimen Unterlagen, die ihm anonym zugespielt werden, könnten seine Karriere gefährden.
Legat ahnt, dass hinter den Nachrichten aus Deutschland, Paul von Hartmann stecken könnte. Gemeinsam mit dem deutschen Paul hat er die Uni besucht und auch von Hartmann hat es beruflich bis in die Nähe der Regierung geschafft.
Doch von Hartmann hat sich einer Widerstandszelle angeschlossen und spielt sogar mit dem Gedanken Hitler zu erschießen.
Um Hitlers Machenschaften publik zu machen und den drohenden Krieg abzuwenden, bleibt ihm aber nichts anderes übrig als sich an seinen alten Freund Hugh zu wenden und so auch einen direkten Draht zu Chamberlain zu bekommen.
Hugh Legat allerdings steht nicht sofort an von Hartmanns Seite, sondern wägt die Konsequenzen für seine Karriere ab und entscheidet sich erst einmal zur Zurückhaltung.
Bis er Lena wieder trifft .....

Fazit:
Hier wird Geschichte lebendig und nachvollziehbar.
Natürlich habe ich in der Schule Geschichtsunterricht gehabt, und natürlich habe ich mich auch nach der Schule noch weiter gebildet. Ich kenne und kannte alle Fakten und Daten um die sich dieser Roman dreht .... aber sie haben mich eigentlich nicht wirklich interessiert, weil es tote Daten und leere Fakten für mich waren.
Robert Harris hat diesen Fakten Leben eingehaucht und den Prozess, der damals stattfand, wirklich begreifbar gemacht.
Auch hatte immer Gedanken wie:" Das müssen doch auch die anderen Staaten gewußt haben", oder " Warum hat das niemand verhindert?".
Hier werden diese Gedanken und Fragen beantwortet, aber nicht in der Form, dass Harris Antworten vorlegt, sondern das Buch macht einem klar, dass solche Vorgänge, wie sie in Deutschland unter Hitler passierten, unmöglich geheim bleiben konnten.
Die Hauptprotagonisten Hugh Legat und Paul von Hartmann sind sehr gut gezeichnet und tragen die Geschichte hervorragend. Robert Harris gleitet auch nicht ins Klischeehafte ab, Paul wird weder mit typisch deutschen Attributen überschüttet und auch Hugh wird nicht als Paradeengländer beschrieben. 
Es sind beides junge Männer ihrer Zeit, die auf ihre Weise versuchen ein Ziel zu erreichen.
Chamberlain, Mussolini und Hitler fand ich sehr gut beschrieben, so habe ich sie auch durch Biographien kennen gelernt, nur dass es hier keine leere Charakterbeschreibung war, sondern die Wesenszüge entfalten sich in einer lebendigen Geschichtet. Man erlebt die Charaktere sozusagen in Aktion.
Mir ist beim Lesen des Romans vieles klarer geworden und finde es soooo schade, dass ich keine Großeltern mehr habe, die ich befragen könnte.
Mich hat das Buch gepackt und nicht nur als Roman begeistert, sondern auch mein Interesse an neuerer Geschichte wieder geweckt.
Ich habe für die Rezension unheimlich lange gebraucht, weil ich eines Mittags am Essenstisch ganz begeistert von dem Buch erzählte. Zu Gast war ein Oberstufenschüler, der dieses Thema gerade in Geschichte hatte.
Als er ging fragte er noch ob er sich ein Buch leihen könnten antwortete ich ganz unbedarft: "Klar ... such dir Eins aus".
Dann war "München" weg :)
Anscheinend hat meine Beschreibung den jungen Mann so angesprochen, dass er sich das Buch ausleihen wollte.
Leider hatte ich es zu dem Zeitpunkt selbst noch nicht fertig gelesen. Aber gut, dafür schreibt er nun hier auch einen kurzen Eindruck.
Ich kann dieses hervorragend recherchierte Buch allen empfehlen, die einen guten Roman lesen wollen, allen, die sich für Geschichte und Politik interessieren, allen, die sich nicht für Geschichte und Politik interessieren, es aber gerne wollen, und allen, die offene Fragen haben, wie denn der Krieg überhaupt anfangen konnte.

Gastbeitrag:
Ich bin gerade in der Oberstufe und wir nehmen das 3. Reich durch. Natürlich sprechen wir dabei auch über die Phase von 1933 bis 1939 und klar interessiere ich mich dafür, aber im Unterricht ist das einzig spannende, dass der Unterricht auf englisch stattfindet. Ich mache ein bilinguales Abitur.
Egerland, Sudetenland, Danzig, Breslau und die Leute da .... hat mich nicht die Bohne angesprochen, ich habe keinen Bezug dazu bekommen. Leider habe ich mir dadurch auch die Daten nicht merken können.
Also habe ich mir das Buch ausgeliehen und gehofft, dadurch mehr Bezug zum Thema zu kriegen. 
Den Bezug habe ich bekommen, aber total. Auf einmal habe ich begriffen um was es wirklich ging und noch wichtiger, ich habe begriffen, dass dort Menschen mit taktischem Kalkül gehandelt haben.
Mir war schon immer klar, dass alle es gewußt haben müssen und nach dem Lesen weiß ich einfach, dass es alle gewußt haben. Aber das es dann auch nicht so leicht ist zu handeln denn es hängt auch das eigene Leben daran und das Leben der Familie und aller, die man mag. Würde ich selber alle meine eigenen Menschen für vollkommen Fremde opfern? Ich weiß es nicht und will es auch gar nicht wissen.
Würde ich als Politiker mein eigenes Volk in einen Krieg ziehen, wenn ich Möglichkeiten sehe, diesen zu verhindern, auch wenn es das Leben anderer kostet? Ich weiß es nicht.
Mich hat das Buch zum Denken angeregt und es hat mir 14 Punkte in der Klausur eingebracht. 
Jetzt betrachte ich auch die Straßennamen der Breslauer Straße, der Sudetenland Straße u.a. mit anderen Augen und weiß worum es bei diesen Straßennamen geht.
Ich fand das Buch echt gut und das will bei mir, echt was heißen, denn Lesen ist nicht so mein Ding.
                                                                                                                                                                    Dorian