Dienstag, 9. Oktober 2018

Rezension "Hinterhalt" von Øistein Borge



  • Bogart Bull Bd. 2
  • Droemer/Knaur Verlag
  • Broschiertes Buch
  • 313 Seiten
  • Erscheinungstermin: 1. Oktober 2018
  • ISBN: 9783426306055
  • 9,99 Euro



Klappentext:
Fall zwei für den Osloer Europol-Kommissar Bogart Bull - ein skandinavischer Kriminalroman auf höchstem Niveau: komplex, vielschichtig, tiefgründig

Eigentlich befindet sich der Osloer Europol-Kommissar Bogart Bull rein privat in Nordirland. Doch dann verschwindet in Belfast ein norwegisches Ehepaar, deren Tochter gute Kontakte in die Politik hat, und schon wird Bull auf den Fall angesetzt. Schnell stellt sich heraus, dass die Norweger ermordet wurden. Offenbar waren sie auf eine Leiche gestoßen und jemandem in die Quere gekommen. Doch was hatten die beiden älteren Herrschaften in unwegsamem Gelände mitten im Wald zu suchen? Und warum steckt in der leeren Augenhöhle des anderen Toten eine Lilie - das alte Symbol des irischen Freiheitskampfes?
(Quelle: Droemer Knaur Verlag)


Kurze Zusammenfassung:
Bogart Bull hat nach einem erfolgreich behandelten Bandscheibenvorfall endlich Urlaub und soll sich noch sehr schonen.
So fährt er mit seinem Vater nach Nordirland. Bogarts Großeltern mütterlicherseits lebten in Holiywood/ Nordirland und nun ist nur noch Bulls Großvater Gus am Leben. Seine letzten Tage verbringt er in einem Pflegeheim, nicht weit entfernt vom Grab seiner Frau.
Bogart Bull hat seinem Großvater eigentlich sehr viel zu sagen, so zum Beispiel, dass seine Enkeltochter tot ist, doch Gus gleitet langsam in eine Demenz. So versucht Bull dieses Wiedersehen auch als Abschied zu sehen. 
Jedoch bleibt Bogart nicht viel ungestörte Zeit, denn kaum ist er angekommen, wird er auch schon zum Dienst verpflichtet. Als norwegischer Ermittler bei Europol wird ihm der Mord an einem norwegischen Ehepaar übertragen.
Das Ehepaar war auf einem hobbyarchäologischen Streifzug durch Nordirland. Im Besonderen wollen sie das Grab von Marion O`Neill besuchen. Obwohl es eigentlich kein richtiges Grab ist, es ist vielmehr ein Erdloch, in dem Marion verscharrt wurde. 
Marion O`Neill geriet 1976 zwischen die nordirischen Fronten und begünstigte einen blutigen Anschlag auf die Republikaner.
Dafür wurde Marion in einer Art Hinrichtung getötet und man ließ ihre Leiche verschwinden.
Viele Jahre später wurde Marions Leiche gefunden und heute will das Ehepaar Sands den Ort von Marions Tod besuchen.
Genau an dieser Stelle finden die Beiden eine Leiche und bevor sie reagieren können, werden sie auch schon erschossen.
Bogart muss nun herausfinden warum das Ehepaar Sands sterben musste und warum sie an genau dieser Stelle getötet wurden.
Nach und nach entdeckt Bull Verbindungen zum irischen Freiheitskampf und das die Zeit nicht alle Wunden heilt ....


Fazit:
Mich hat dieser skandinavische Krimi sehr überrascht.
Statt einen typisch nordischen Krimi in den Händen zu halten, habe ich ein komplexes Buch bekommen, dass mich bisweilen sehr zum Nachdenken brachte.
Bogart Bull (was für ein Name ;) ) verfügt zwar um reichlich Attribute, die ein nordischer Ermittler zwingend braucht, auch hat der Fall die üblichen verschiedenen Erzählstränge und auch in diesem skandinavischen Krimi wird tief in die Vergangenheit abgetaucht, aber hier drehte es sich nicht nur um Einzelschicksale und verletzte Egos, sondern Øistein Borge beschreibt die tiefen Wunden einer Gesellschaft, die bis heute noch nicht verheilt sind. Rund um diese tiefen Wunden rankt er einen spannenden Kriminalfall und schafft es beides brillant miteinander zu verbinden.
Eigentlich empfand ich den Mord an dem Ehepaar Sands als eine Art Boot in das die dramatische Geschichte Nordirlands gelegt wurde um zum Leser transportiert zu werden.
Dieses mittlerweile fast vergessene Kapitel der jüngeren Geschichte Europas hat Øistein Borge mit viel Sensibilität und guter Recherche wieder lebendig werden lassen.
So hat mich das Buch auch nach dem Lesen kaum in Ruhe gelassen.
Den irischen Freiheitskampf haben wir ja schon fast vergessen, wenn wir an jüngere europäische Bruderkriege denken, fällt uns der Balkankrieg ein, aber das Nordirland auch lange ein blutiges Schlachtfeld war und dass sich dort Nachbarn, Kollegen und Schulkameraden bekriegten, nur weil sie unterschiedlichen Religionen angehörten, ist ganz weit weg von uns.
Øistein Borge hat diese Geschehnisse aus der Vergangenheit zurück in die Gegenwart geholt und gezeigt, dass vergessene Dinge erst ganz vergessen sind, wenn der Letzte, der sich erinnern kann, gestorben ist.
Doch bevor es soweit ist, wird es  jemanden geben, der weiß was geschehen ist und wenn es zwei sind, werden sie lernen müssen sich wieder in die Augen zu sehen und wenn es mehr sind, werden sie kämpfen müssen, damit die alten Fronten nicht wieder aufbrechen.
Dieser Blick auf die Geschichte hat mich tief berührt.
In "Hinterhalt" hat für mich alles gestimmt: der Krimi, die Geschichte rundherum und der herrlich nordische Ermittler Bogart Bull.

Vielen Dank an den Droemer Knaur Verlag für dieses Rezensionsexemplar